Am 20.08.22 fand die 15. Ausgabe des CommunityCamps in Berlin statt. Das CommunityCamp ist eine der ältesten, intensivsten, wenn nicht sogar prägendsten (Un)konferenzen in Deutschland zum Thema Community und Social Media Management. Nicht nur, weil der BVCM auf dem ersten CommunityCamp in 2008 gegründet wurde, was zu einer tiefen Verbindung zwischen dem Camp und dem Verband geführt hat. Was wir als Verband auf dem 15. CommunityCamp gemacht haben und warum wir jetzt ein Ehrenmitglied im Verband haben, verraten wir in diesem Artikel.

Der Sessionplan auf dem #ccb22 | Foto: Käthe Fischer

Paneldiskussion: Verantwortung im Community Management

Ich möchte behaupten: Community Management gehört zu einem der verantwortungsvollsten Berufe unserer Zeit! Nie war es für das gesamtgesellschaftliche Miteinander wichtiger, dass Community Manager:innen in den Kommentarspalten einen demokratischen Diskurs überhaupt erst möglich machen. Doch wie bringen wir Unternehmen und Organisationen dazu, diese Verantwortung anzuerkennen und auch anzunehmen und was brauchen Community und Social Media Manager:innen eigentlich, damit sie ihre Aufgabe gut erfüllen können? Dieser Fragestellung sind wir mit einem kleinen Panel, besetzt durch Romy, Stef und Sascha nachgegangen. Ich, Vivian, durfte die Moderation sowie das Eingangs- und Ausgangsplädoyer halten. Schnell entwickelte sich eine rege Diskussion mit den Anwesenden und wir konnten gemeinsam die folgenden Fragen und Antworten erarbeiten:

Wie hat Hass den Beruf verändert?

  • Die Belastung ist deutlich gestiegen – sowohl im Hinblick auf die Arbeitsmenge als auch auf die psychische Belastung.
  • Es gibt ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung von psychischer Gesundheit im Community Management.
  • “Der Diskurs ist weitestgehend im Arsch”, d.h. es ist oft kein kontroverser Diskurs mehr möglich.
  • Die Diskussionen sind deutlich härter und eskalieren viel schneller.
  • Nach Feierabend hat man als Community Manager:in keine Lust mehr auf Netz, manche überlegen sogar die Branche zu wechseln.

Was können Community Manager:innen tun?

  • Hass ist kein Geschäftsmodell! Aufhören zu provozieren um Engagement und Reichweite zu bekommen. Anfangen zu moderieren, damit ein gesunder Diskurs ermöglicht wird. Das ist keine einfache Aufgabe, die zunächst auch Einbußen bedeutet. Langfristig steigen die Metriken aber wieder an.
  • Empathie und klare Kante. Empathisch auf die Mitglieder der Community zugehen, aber wenn klar wird, dass diese bewusst hetzen/provozieren/Desinformation verbreiten, die Netiquette konsequent durchsetzen.
  • Die eigenen Verantwortung anerkennen und annehmen. Ein Perspektivenwechsel von – “Was ist gut für die Reichweite” hin zu “Was ist gut für die Community und die Gesellschaft?”
  • Überhaupt wieder einen Rahmen für Diskussionen schaffen. Wer den unflätigen, den hasserfüllten Mitgliedern die Kommentarspalten überlässt, sperrt die Menschen mit einer gemäßigten Meinung aus. Geschickte Moderation macht einen Diskurs wieder möglich.
  • Bias ablegen. Gerade im Community Management ist wichtig, zu Beginn unvoreingenommen auf sein Gegenüber einzugehen.
  • Regeln aufstellen und durchsetzen! Die Netiquette ist die Grundlage für die Moderation und entspricht dem Hausrecht. Entsprechend muss diese auch konsequent durchgesetzt werden.

Was brauchen Community Manager:innen, um gut arbeiten zu können?

  • Schulungen und Weiterbildung – Community Management ist kein Job, der aus dem Stand gemacht werden kann.
  • Zeit, Ressourcen und Verständnis haben – um anständiges Community Management machen zu können, fehlt vielerorts noch die Zeit, das passende Equipment und das Verständnis, warum Community Manager:innen viel mehr können als antworten, ausblenden und löschen.
  • Inhaltlich fit in den Themen sein – wer souverän moderieren soll, braucht Fachwissen zu dem jeweiligen Metier.
  • Interdisziplinäre und diverse Teams mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Gerade bei großen Plattformen ist es wichtig mit vielen Perspektiven und Wissensschwerpunkten auf eine Diskussion zu schauen.
  • Wissen, wie komplexe Sachverhalte einfacher dargestellt werden. Wer Sachverhalte zugänglicher macht, löst weniger Ablehnung aus.
  • Prozesse im Hintergrund. Community Management ist – wenn man es richtig macht – kein losgelöster Ballon. Die entsprechenden Strukturen dafür müssen da sein.
  • Fachlicher Austausch mit anderen Community und Social Media Manager:innen, wie er zum Beispiel bei uns im BVCM möglich ist
  • Emotionaler Austausch – Menschen, die einen verstehen und auffangen können. Das funktioniert ebenfalls gut mit anderen Community Manager:innen
  • Haltung zeigen dürfen. Community Management ist qua Definition immer auch wertebasiert – das müssen Community Manager:innen auch durchsetzen dürfen und dafür Backup bekommen.
  • Bewusstsein dafür, was der Job eigentlich bedeutet! Hier hilft es am besten, die Menschen, die einem vorgesetzt sind und keine Ahnung von dem Thema haben, mal einen Tag an die Tastatur zu lassen.
  • Selbstbewusstsein! Wir müssen uns der Bedeutung unserer Arbeit bewusst sein und dürfen uns nicht als Kommunikator:innen zweiter Klasse behandeln lassen.

Da die Diskussion so spannend und teilweise auch kontrovers war, haben wir spontan entschlossen, diese ab 18:00 noch weiter zu führen. In der zweiten Stunde stand die Frage im Mittelpunkt: Wie hart können und müssen wir unsere Plattformen eigentlich moderieren?

Konsens war hier am Ende die berühmt berüchtigte juristische Floskel: Es kommt darauf an. So unbefriedigend diese Antwort im Moment sein mag, so logisch ist, dass es hier keine pauschale Antwort geben kann. Communitys sind höchstindividuelle Gebilde mit eigenen Dynamiken. Dazu kommt es immer sehr stark auf die Fähigkeit der Selbstregulation der Community sowie die technischen Gegebenheiten auf der jeweiligen Plattform an. So braucht die eine On-Domain Community kaum Moderation durch das Community Management, weil jeder Verschwörungsmythos direkt auf eine sachliche Art von der Community widerlegt wird, während auf einer Facebook-Seite mit sehr aggressiver Klientel sehr großzügig gelöscht werden muss, damit überhaupt noch ein Dialog möglich ist. Wichtig sind dabei immer drei Faktoren:

  1. Eine Netiquette zu haben und diese auch konsequent durchzusetzen
  2. Die Frage: “Welchen/s Mehrwert/potenzielles Risiko hat ein Beitrag/meine Antwort für die Community?” ist ein gutes Leitsystem für die Moderation. Daraus folgt zum Beispiel, dass Unwahrheiten nicht unwidersprochen stehen bleiben dürfen und je nach Wesen der Community eine mehr oder weniger restriktive Moderation angesagt ist.
  3. Sich als Community Manager:in der eigenen Bias bewusst sein und im Zweifel noch einmal durchzuatmen, bevor man eine Entscheidung trifft.

“Ask us Anything”-Session

Wir aus dem Vorstand und Prüfungsausschuss haben am Nachmittag noch eine kleine, feine Runde gemacht, in dem wir Mitgliedern und (noch) Nicht-Mtigliedern Fragen rund um den Verband, die Zertifizierung und die Arbeit des Vorstandes beantwortet haben. Der Fokus lag dabei auf den Fragen “Was habe ich eigentlich davon im Verband Mitglied zu werden?” und “Was ist die Zertifizierung, was bringt mir das und warum machen wir als BVCM das eigentlich?“. Wenn euch das ebenfalls interessiert, findet ihr hinter den Links die Antworten!

Frank ist der Vater des CommunityCamps und nun unser Ehrenmitglied! Foto: Jasmin Jodlauk

Unser neues Ehrenmitglied

Bevor mich die Vorstandskolleginnen uns noch mit einer wunderbaren Schokotorte überraschten, gab es noch einen besonderen Festakt. Wir haben Frank Feldmann zum Ehrenmitglied im BVCM ernannt. Frank ist zwar kein Community Manager im klassischen Sinne, aber hat rund um das CommunityCamp einen Diskussionsraum für die Branche aufgebaut, der maßgeblich zu der Entwicklung beigetragen hat. Mit der Ehrenmitgliedschaft kommt also nur zusammen, was zusammen gehört. Lieber Frank, wir möchten Dir an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich Danken! Für die Partnerschaft zwischen CommunityCamp und BVCM, für die Freundschaft und wir freuen uns noch auf viele gemeinsame Jahre!

Fazit

Wie in jedem Jahr war das CommunityCamp eine wunderbare Chance dafür, sich auf hohem Niveau mit Praktiker:innen aus Community und Social Media Management auszutauschen, dazu wie immer ein kleines Klassentreffen von BVCM-Mitgliedern und ein Ort der Inspiration. Wir freuen uns schon sehr auf das nächste Jahr!

Foto: Andreas Schreiber @dagger | Sketchnotes von Yasmin C. Cordes @YacCordes

PS: Für mich war dieses CommunityCamp ein ganz besonderer Moment, denn ich bin seit Tag 1 sowohl im OrgaTeam des Camps, als auch Mitglied des BVCM. Deswegen freue ich mich ganz besonders darüber, dass das Thema Community Management, nach einer längeren Durststrecke in den 2010er Jahren, endlich wieder mehr Fokus bekommt und bin sehr gespannt darauf, was uns in den nächsten Jahren erwartet.

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