Gerd Neuwirth, Unternehmenskommunikation und Pressesprecher der Stadtwerke Neuwied (SWN) im Interview

Welche Ausbildung hast Du gemacht?

Ich habe mein Politikstudium zugunsten eines Zeitungsvolontariats abgebrochen. Nach der Redaktion folgten 18 Jahre als Pressesprecher einer großen Kommunalverwaltung. Und viele, viele Seminare und Fortbildungen: von der Krisenkommunikation bis zum Social-Media-Manager, von Strategie- bis Kampagnenplanung, vom Fotografieren bis zum Drehen und Schneiden von Videos.

Wo und in welcher Position arbeitest Du?

Ich arbeite für die Stadtwerke Neuwied (SWN), einem mittelständischen Energieversorger. Ich bin verantwortlich für die Unternehmenskommunikation und Pressesprecher.

Wie bist Du dorthin gelangt?

Zufall. Es begann 2003 als Nebentätigkeit, den SWN war meine Arbeit aufgefallen. Ich habe für eine offene, transparente Kommunikation plädiert, die die Leser:innen, Bürger:innen oder die Kund:innen mitnimmt: Nur wenn die Menschen die Fakten kennen, verstehen sie; nur wenn wir Zusammenhänge erklären, können wir Verständnis erwarten; wenn unser Handeln auf Dauer einleuchtend und sinnvoll ist, entsteht Vertrauen.

Kurzum: Nicht überreden, sondern überzeugen. Das war für die damalige Geschäftsführung neu, aber nach und nach sind wir die nächsten Schritte gegangen. 2016 hatte ich dann an der TH Köln in der Fortbildung zum Social Media Manager meine Hausarbeiten über die SWN geschrieben. Das war ein Mosaikstein für ein Kommunikationskonzept, das zu meinem Wechsel 2018 führte und wir kontinuierlich weiterentwickeln und ausbauen.

Wieviele Mitarbeiter:innen gibt es in Deinem Bereich?

Wir sind zu zweit, stimmen uns aber eng nach einem einfachen, aber effizienten Hub and Spoke-Modell mit den anderen Bereichen ab. Die wissen, wie wir ticken und was wir brauchen. Sonst ginge es nicht.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Ich fange früh an (6.30 Uhr, da werden einige aufstöhnen), damit ich die ersten Stunden in Ruhe Aufgaben erledigen kann. Die Energiekrise hat natürlich die Strukturen für den Arbeitstag auf den Kopf gestellt, und das schon seit eineinhalb Jahren. Die größten Zeitfresser sind seither Besprechungen mit Juristen, Vertrieb, Marketing, Kundenservice und in Branchen-Netzwerken: Wie können wir dieses komplexe Thema den Menschen erklären, die oft sehr verunsichert sind und auch Existenzängste haben. Welche Probleme haben sie und wo haben wir Lösungen? Fragen dazu beantworten wir mit Priorität und nehmen uns viel Zeit dafür. Energieversorger sind ja wahrlich keine Lovebrand.  

Aber wir können Orientierung bieten. Das wird honoriert. Wir haben Öffnungsraten von bis zu 90 Prozent bei unseren Newslettern und bekommen – manchmal ist es mir fast unheimlich – sehr viel Zuspruch von der Community. Ich liebe es, denn da ist Vertrauen entstanden und ich bin froh, dass ich in einem kommunalen Unternehmen arbeite, wo nicht der letzte Cent für die Marge aus den Kund:innen rausgequetscht wird.

Welche Aufgabenbereiche erfüllst Du?

Strategische Fragen der Kommunikation von Presse bis Social Media sind bei mir angesiedelt, auch die Themenarchitektur und die Planung mit Scompler (ein Tool, das ich mehr und mehr liebe). Ebenso die Schnittstellenfunktion zu den anderen Bereichen, komplexe Themen oder Sonderaufträge der Geschäftsführung.

Mein Kollege ist 30 Jahre jünger, kam frisch von der Uni. Er hat eine steile Lernkurve, aber Energiewirtschaft und Kommunikation sind vielschichtig. Das braucht Zeit. Aber er betreut auch eigene Projekte. Ich biete ihm meine Erfahrung an, er kommt mit neuen Ideen. Nicht zuletzt bedienen wir nicht nur das Community Management, sondern den typischen „Bauchladen“. Content für Presse, Social-Media-Kanäle, Newsletter erstellen wir selbst, auch Fotos und Videos. Ich denke, wir haben eine gute Aufteilung.

Was sind die Dos und Dont’s in Deinem Beruf?

Ich bin manchmal erstaunt, welchen Anspruch Kommunikationsleute als Kund:in haben – und mit welcher Geringschätzung sie Kund:innen dann im Job begegnen. Das geht gar nicht.

Habt Respekt gegenüber Kund:innen und der Community. Zeigt, wofür das Unternehmen steht. Seid Dienstleister:in. Drückt euch nicht vor Diskussionen, lasst Kritik zu: Uns hat das schon viele gute Hinweise gebracht. Zu den Don’ts gehören für mich Herablassung und Schönfärberei.

Beispiel: Wir würden nie von einer moderaten Preisanpassung sprechen. Die Preise steigen oder fallen. Punkt. Fünf Euro mehr Kosten im Monat ist für viele nix, für sehr viele aber eine Katastrophe.

Welchen Tipp hast Du für Neueinsteiger:innen?

Informiert euch gut über den Beruf. Vorher. Vivian Peins Buch „Der Social Media Manager“ ist für mich nach wie vor Pflichtlektüre und war mich der entscheidende Trigger.

Dann schaut euch das Unternehmen genau an. Wofür steht es? Könnt ihr euch mit deren Zielen identifizieren? Sprecht möglichst mit deren Mitarbeitern: Wie viel Freiraum haben sie? Steht der Chef vor ihnen, wenn es drauf ankommt? Welche Fortbildungen werden angeboten? Gibt es einen gesunden Mix aus Jung und Alt? Wie ist die Stimmung in den Teams?

Und ergreift die Flucht, wenn die Chefetage meint, dass ein Facebook-Account für gutes Social Media- oder Community Management ausreicht. Unser Chef versteht von Social Media gar nichts, aber er weiß um die Bedeutung, was an Arbeit darin steckt und wir haben sein uneingeschränktes Vertrauen. Unsere Ergebnisse müssen natürlich stimmen. Wenn ich jeden Post und jeden Kommentar abstimmen müsste, dann würde es keine Freude machen.

Welche Must-have-Kompetenzen muss ein:e Community oder Social Media Manager:in haben?

Ich kann nur für mich sprechen: Man muss den Menschen zugewandt sein und ein Selbstverständnis als Dienstleister:in haben. Zudem braucht man wie ein:e Journalist:in die Neugier für Themen und muss unbedingt die Lust haben, ein Leben lang zu lernen. Meine Bewunderung haben Community Manager:innen, deren Kanäle täglich von verbalen Entgleisungen geflutet werden. Ganz ehrlich: Ich könnte das wohl nicht lange ertragen.

Fazit

“Es braucht Expertise, Herzblut, Beharrlichkeit und einen langen Atem. Mit dem passenden Unternehmen und einem guten Team gibt es nur wenige Berufe, die dann so befriedigend sind. Für mich ist es der Traumjob. Kein Scherz: jeden Tag.”

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